Die verschiedenen Arten des Autofokus anschaulich erklärt: Phasen-, Kontrast-, Hybrid-Autofokus. Welche Technik steckt dahinter, welche Kameratypen benutzen welche Sorte von Autofokus und was sind ihre Vor- und Nachteile.
Das Prinzip | Der Phasen-Autofokus hat sich in den 1980er-Jahren in der analogen Fotografie durchgesetzt und bis heute in modernen digitalen Spiegelreflex-Kameras bewährt. Er hat sich dabei in der Leistung erheblich gesteigert, funktioniert aber immer noch nach dem gleichen Prinzip.
Er automatisiert das manuelle Scharfstellen, wie es in Spiegelreflex-Kameras verbreitet war: Dort gab zwei Halbkreise in der Mitte des Suchers, die aufgrund eines optischen Tricks stets scharfe Bildausschnitte zeigen. Wenn das Objektiv auf die korrekte Entfernung eingestellt ist, passen sie genau zueinander, andernfalls erscheinen sie gegeneinander verschoben.
Die moderne Umsetzung | Der Phasen-Autofokus setzt dieses Prinzip mit kleinen, elektronisch ausgewerteten Sensoren um. Er ist ein eigenes kleines System in Spiegelreflex-Kameras, unabhängig vom Bildsensor. Ein Spiegel lenkt das einfallende Licht nach oben zum Sucher – aber nicht alles, einen Teil lässt er hindurch und ein zweiter Spiegel schickt es zum Autofokus-System.
Er kann aus dem Unterschied der beiden Bilder erkennen, in welche Richtung und wie weit das Objektiv für eine korrekte Fokussierung verstellt werden muss; ein kleiner Motor bewegt den Entfernungsring des Objektivs gezielt dahin.
Eine Messung genügt | Der Phasen-Autofokus hat einen in seiner Technik begründeten Vorteil, der ihn lange überlegen machte: Mit einer Messung kann die Kamera sofort erkennen,
die Entfernung am Objektiv zu verstellen ist.
Ohne Kontraste geht es nicht | Das erste Beispielfoto mit dem Apfelbaum veranschaulicht, dass der Phasen-Autofokus Kontraste braucht, um zu funktionieren. Am besten eine scharfe Kante und diese muss in der passenden Richtung, quer durch die beiden kleinen Teilbilder laufen. Technischer Fortschritt, der diese Einschränkung behebt, ließ nicht lange auf sich warten – aufwändigere Sensoren verwenden vier Teilbilder und können sowohl auf senkrechte als auch auf waagerecht verlaufende Kontraste reagieren. Ganz ohne Kontraste können sie aber auch nicht arbeiten.
Sonys Sonderweg: SLT | Sonys SLT-Kameras sind genau betrachtet keine Spiegelreflex-Kameras, da sie mit einem elektronischen Sucher arbeiten. Sie haben einen halb durchlässigen Spiegel, der Licht nach oben zu einem Autofokus-Modul anstatt zum Sucher reflektiert. Dieser Spiegel ist anders als bei Spiegelreflex-Kameras unbeweglich und die Kamera kann wie eine spiegellose laufend auf den Bildsensor zugreifen. So entsteht eine Bildvorschau in einem elektronischen Sucher oder Monitor und der Bildsensor kann den Autofokus unterstützen – mit dem weiter unten beschriebenen Kontrast-Autofokus. Damit hat Sony bereits seit 2010 Phasen- und Kontrastautofokus kombiniert, in 2021 sind diese Modelle jedoch ausgelaufen, die komplett spiegellosen Kameras setzen sich durch.
Anzahl und Bildabdeckung | Der technische Fortschritt und die Miniaturisierung erlauben, heute gleich eine ganze Reihe solcher Sensoren in modernen Kameras unterzubringen. Die nächste Grafik zeigt, wie sie über die Jahre zugenommen haben. Inzwischen scheint die Entwicklung aber zu einem Ende gekommen zu sein. Neue Spiegelreflex-Modelle gab es in den letzten Jahren kaum noch und die sie verdrängenden spiegellosen Systemkameras arbeiten mit Hybrid-Autofokus – siehe weiter unten.
Linien- und Kreuzsensoren | Liniensensoren brauchen Kontraste in einer bestimmten Richtung, waagerecht oder senkrecht, manchmal diagonal. Kreuzsensoren heißen die ausgefeilteren, die auf Kontraste in beiden Richtungen reagieren können. Mit der technischen Weiterentwicklung hat auch die Zahl der Kreuzsensoren zugenommen, von den beispielhaft gezeigten Kameras haben die moderneren Canon und Sony ausschließlich Kreuzsensoren, bei der Nikon D850 sind es 99 ihrer 153 Sensoren.
Es gilt aber immer noch: Ganz ohne Kontraste geht es nicht, an einer einer konturlosen weißen Wand scheitern auch die modernen Systeme.
Lichtstärke | Es ist erstaunlich, mit wie wenig Licht der Phasen-Autofokus so exakt arbeitet. Er erhält ja nur einen Teil des einfallenden Lichtes, der durch den Hauptspiegel hindurchgeht und jeder einzelne Sensor verwendet wiederum nur einen winzig kleinen Bildausschnitt. Bei lichtschwachen Objektiven kann der Phasen-Autofokus aber an seine Grenzen kommen und z.B. ab einer Lichtstärke von 8 nicht mehr funktionieren.
Die Lichtempfindlichkeit hat ebenfalls über die Jahre zugenommen, laut Nikon / Canon / Sony arbeiten ihre Systeme noch bis zu einer Helligkeit von -3 oder gar -4 LW. Das ist schon wirklich dunkel... -3 LW ist die Helligkeit, bei der eine Kamera mit Blende 2,8 und ISO 100 eine volle Minute belichtet.
Genaue Justierung nötig | Systembedingt kann der Phasen-Autofokus nur präzise seinen Dienst tun, wenn das kleine Autofokus-System und der zugehörige Spiegel sehr genau justiert sind. Minimale mechanische Bewegungen können ihn etwas ungenau werden lassen. Das nennt sich „front focus“ oder „back focus“ und führt dazu, dass der Autofokus konstant etwas zu dicht oder etwas zu weit fokussiert. Fortgeschrittene Kameras bieten eine Einstellungsmöglichkeit, um das auszugleichen, ansonsten ist ein Besuch beim Kamera-Service fällig, um den Autofokus neu zu justieren.
Das Prinzip | Der Kontrast-Autofokus analysiert Helligkeits- und Farbunterschiede direkt auf dem Bildsensor. In einem scharfen Bild verlaufen Helligkeits- und Farbübergänge abrupter, sprich die Kontraste innerhalb kleiner Bildteile werden größer. Aus matschig-verschwommenen Bereichen werden unterscheidbare Punkte mit verschiedener Helligkeit und Farbe.
Das Bild veranschaulicht dieses Prinzip: Ich habe die Überschrift dieses Kapitels vom Bildschirm abfotografiert, einmal scharf, einmal unscharf. Und dann in einem Bildbearbeitungsprogramm in beide das Histogramm eingeblendet, das die Helligkeitsverteilung der Pixel anzeigt.
Das unscharfe Bild hat ein sehr schmales Histogramm, sprich: Viele Pixel liegen in einem recht engen Helligkeitsbereich, weil helle und dunkle Pixel zu einem einheitlichen matschigen Grau verschwimmen. Im scharfen Bild werden die einzelnen Pixel des Bildschirms sichtbar, das einheitliche Grau wird zu einem Muster aus hellen Punkten mit dunklen Zwischenräumen. Entsprechend ist das Histogramm deutlich breiter, das Bild enthält einen größeren Helligkeitsumfang. Das lässt sich gut in der Kamera-Elektronik rechnerisch auswerten, um die Schärfe zweier Bilder zu vergleichen. Bei korrekter Fokussierung erreicht der Kontrast ein Maximum.
Der Ablauf des Fokussierens | Der Kontrast-Autofokus kann also nur vergleichen, welches von zwei Bildern schärfer ist. Er kann nicht wie der Phasen-Autofokus erkennen, ob das Objektiv zu nah oder zu weit eingestellt ist und wie weit es bewegt werden muss.
Deshalb braucht der Kontrast-Autofokus mehr Bewegungen, er kann sich nur an die optimale Schärfe herantasten:
Es sind also mehrere Bewegungen nötig, und selbst wenn dein Motiv schon zu Beginn perfekt scharf gewesen sein sollte, muss der Kontrast-Autofokus sich trotzdem etwas hin und her bewegen, um das überprüfen.
Schärfenachführung für bewegte Motive | Beim Erkennen von Bewegungen ist der Kontrast-Autofokus wegen des komplizierteren Ablaufs noch mehr im Nachteil gegenüber dem Phasen-Autofokus, der stets mit einer Messung ermitteln kann, wie weit und in welche Richtung die Fokussierung zu ändern ist. Der Kontrast-Autofokus kommt schon am Anfang in Schwierigkeiten, weil er nicht zuverlässig die Bewegungsrichtung auf die Kamera zu oder von der Kamera weg erkennen kann.
Dafür kann der Kontrast-Autofokus aus den gesamten Bildinformationen leichter erkennen, ob sich ein Motiv innerhalb des Bildausschnittes hin und her bewegt. Der Phasen-Autofokus hat es schwerer, mit seiner begrenzten Zahl an Sensoren eine Art Bilderkennung zu schaffen und mitzubekommen, zu welchen seiner Autofokus-Sensoren ein Motiv wechselt.
Ohne Kontraste geht's nicht | Dieser Grundsatz gilt für den Kontrast-Autofokus auch, wenn auch etwas abgeschwächt. Er braucht auch Kontraste, um funktionieren zu können, es ist ihm aber gleichgültig, ob eine Kante waagerecht oder senkrecht verläuft.
Geschwindigkeit | Was Tempo angeht, ist der Kontrast-Autofokus durch seine Arbeitsweise gegenüber dem Phasen-Autofokus im Nachteil. Und bei älteren Kameras war er auch spürbar langsamer, man konnte am Geräusch des Objektivs hören und auf dem Kamera-Monitor
beobachten, wie der Autofokus sich mehrfach hin- und herbewegt, er „pumpte“.
Im Laufe der Jahre hat der Kontrast-Autofokus jedoch spürbar aufgeholt:
Die Frage, ob Phasen- oder Kontrastautofokus schneller ist, wird aber inzwischen fast überflüssig. Der Phasen-Autofokus ist ausgereift, genügt in hochwertigen Spiegelreflex-Kameras auch hohen Ansprüchen für professionelle Sport- und Actionfotografie. Der reine Kontrast-Autofokus ist bei hochwertigen Kameras im Verschwinden – es setzt sich der Hybrid-Autofokus durch, der die Vorteile aus beiden Welten zusammenbringt.
Genauigkeit | Da der Kontrast-Autofokus die volle Auflösung des Bildsensors auslesen kann, ist er bei der erreichbaren Genauigkeit etwas im Vorteil.
Bildfeld-Abdeckung | Der Kontrast-Autofokus kann beliebige Bereiche über den gesamten Bildausschnitt hinweg für die Fokussierung auswerten. Die Kamera-Software erlaubt entsprechend eine automatische Auswahl, wohin die Kamera fokussiert ebenso wie verschieden große Autofokus-Messfelder, die sich über den Bildschirm bewegen lassen.
Kombination mit Bilderkennung | Noch ein Vorteil, der sich aus dem Auslesen der gesamten Sensordaten für den Autofokus und der über die Jahre gewachsene Leistung der Kamera-Elektronik ergibt: Der Autofokus kann Gesichter erkennen und automatisch auf diese fokussieren. Das geht so weit, dass aktuelle leistungsfähige Kameras sogar innerhalb eines Gesichts gezielt auf die Augen fokussieren und sogar Augen von Tieren erkennen.
Das Prinzip | Einfach gesprochen ist der Hybrid-Autofokus eine Kombination aus Phasen- und Kontrastautofokus in einer Kamera, wie der Name vermuten lässt.
Eine echte Kombination aus einem separaten Phasen-Autofokus wie in Spiegelreflexkameras und Kontrast-Autofokus gab es jedoch nur wie oben skizziert in Sonys SLT-Modellen, die Ende 2020 ausgelaufen sind.
Inzwischen haben die Hersteller das Kunststück geschafft, winzige Sensoren für Phasen-Autofokus direkt in den Bildsensor zu integrieren. Sie benutzen weiterhin das oben beschriebene Prinzip des Phasen-Autofokus.
Die Vorteile | Die Hersteller tun damit das Naheliegende und kombinieren die Vorteile beider Systeme: