Ein Spaziergang um eine touristische Sehenswürdigkeit, mehrere unterschiedliche Bildaussagen vom selben Motiv. Zur Veranschaulichung, wie unterschiedliche Gedanken hinter der Bildaussage zu sehr verschiedenen Bildern führen.
Unterschiedliche Bildaussagen vom selben Motiv – darum geht es in diesem Artikel. Das Schloss steht stellvertretend für unzählige andere Motive, die dir auf Reisen, Ausflügen oder wo auch immer begegnen. Der ausgedehnte, von Grund auf neu wiederhergestellte Barockbau mit einer kontrastierenden modernen Fassadenseite war zur Zeit der Aufnahmen noch nicht ganz fertiggestellt, drumherum noch reichlich Baustelle.
Die Beispielfotos veranschaulichen für Einsteiger, wie Fotos eine Aussage, eine Botschaft haben – auch alltägliche und beiläufig aufgenommene. Sie möchten dich anregen, bei deinen Fotos bewusster nachzudenken, was dir bei der Aufnahme wichtig ist und wie du es in einem Bild umsetzen kannst. Mit Beispielmotiven, für die du nicht vor Sonnenaufgang auf einen Berg klettern musst, sondern wie sie auf Ausflügen und Reisen massenhaft fotografiert werden.
Zum Einstieg möchte ich für Leser den Hauptdarsteller im Überblick zeigen. Das ist bereits eine Bildaussage und Aufgabe für Bildgestaltung: Für die Abbildung auf der Webseite die ganze riesige Fassade auf möglichst wenig Raum vollständig zeigen. Aufnahmen von den Ecken zeigen jeweils zwei Fassadenseiten und zwei Fotos genügen, um alle vier Seiten abzubilden. Vier Fotos würden mir hier zu viel Platz einnehmen.
Es erfordert einige Bewegung und Probieren, um an jeder Ecke den besten Platz mit möglichst freiem Blick zu finden, später habe ich das geeignete Paar Fotos von zwei gegenüberliegenden Ecken ausgewählt.
Die Fotos sind wie alle anderen auf dieser Seite technisch unspektakulär – mit einer guten Kompaktkamera ohne besondere Einstellungen aufgenommen und nachträglich lediglich beschnitten.
Die Lage des Schlosses inmitten von Berlins Zentrum mit vielen anderen Motiven um sich herum ist eine naheliegende Bildaussage. Sie wäre passend und typisch für einen Besucher, der ein Erinnerungsfoto von einem Spaziergang durch das Zentrum mitnehmen möchte und nicht nur einen Tunnelblick auf das Schloss selbst gehabt hat.
Zur Umsetzung: An zwei Seiten des Schlosses fließt die Spree vorbei und gegenüber liegt eine Grünanlage mit dem Deutschen Dom. Entsprechend habe ich mir sich einen Standort gesucht, von dem diese weiteren Bildelemente gut neben dem Schloss zu sehen sind und störende Teile wie eine breite Straße und die Baustelle nicht. Dann kann man diesen ergänzenden Bildteilen etwas Raum geben. Ein Ausflugschiff, Passanten, die das Bild beleben, sind dabei willkommen.
Um die Grünanlage im Vordergrund zu zeigen, war es am geeignetsten, recht weit vom Schloss weg zu gehen und auf ein paar Treppen zu steigen, um einen höheren Standpunkt zu bekommen. Wenn du während eines Spaziergangs solche Fotos aufnehmen möchtest, ohne dafür Umwege zu laufen, kannst du stattdessen wenigstens darauf achten, im passenden Moment, an einer geeigneten Stelle, wo du sowieso vorbeikommst, die Kamera hochzuhalten. Oder deiner Begleitung vorschlagen „Lass uns dort einen kleinen Bogen laufen.“
Möchtest du betonen, wie das Schloss noch im Bau ist, gib den zur Baustelle gehörenden Elementen mehr Raum in deinem Bild. Das obere Beispielbild zeigt dafür im Vordergrund Lastkähne und einen Kran – bewusst angeschnitten und so, dass sie mit ungefähr halb so groß wie das Schloss klar sichtbar sind, aber das Bild nicht dominieren. Es soll ja kein Foto mit dem Titel „Ein Lastkahn vor dem Berliner Schloss“ sein, sondern „Das Berliner Schloss im Bau“.
Beachte auch den Unterschied beider Fotos zum allerersten Bild oben, das die gleiche Fassadenseite mit dem Hauptportal zeigt. Der andere Standort und Bildausschnitt lassen dort den Kran und die Lastkähne ebenso verschwinden wie die rot-weißen Absperrungen.
Die störende Wirkung der Baustelle kann auch Bildaussage werden – Fotos müssen nicht immer „schön“ sein. Als die Aufnahmen entstanden, behinderte sie den Blick auf und verstellte den Zugang zum Schloss. Mit einer Schranke groß im Vordergrund wird das offensichtlich, so könnte die Erinnerung „wir konnten da nicht rein“ aussehen.
Nun zum eigentlichen Schloss als Bildthema, seine aufwändige und vollständig neu aufgebaute Fassade springen ins Auge. „Die barocke Fassade“ ist aber zu allgemein, noch keine Hilfe bei der Bildgestaltung. Gehe etwas tiefer, überlege, was an ihr besonders ist.
Zwei Möglichkeiten von vielen sind: Die langen Reihen gleichartig verzierter Fenster und die je Geschoss unterschiedlichen Verzierungen. Ersteres kann durch ein schräger Blick vermitteln, der die Fenster im Bild dichter zusammenrücken lässt; Letzteres wird offensichtlich durch einen kleinen Ausschnitt, der je Geschoss nur wenige Fenster zeigt. Beachte, wie viel deutlicher die je Geschoss unterschiedlichen Verzierungen auf dem zweiten Bild ins Auge springen.
Der ungewöhnliche Gegensatz von Alt und Neu bietet sich ebenfalls an, er springt bereits bei den Übersichtsfotos ins Auge. Wenn du ihn besonders interessant findest, konzentriere dich darauf und versuche, anderes auszublenden. Hier zwei von vielen denkbaren Möglichkeiten.
Bildgestaltung und Beschäftigung mit der Bildaussage kann alle deine Fotos verbessern, auch die alltäglichen.
Es braucht zu Beginn Gedanken, Üben und vor allem kritische Betrachtung der eigenen Bilder. Nach und nach wirst du es aber fast automatisch machen und kannst mehr Freude an deinen Fotos haben. Du musst nur immer wieder eine Antwort auf die grundlegenden Fragen finden: „Warum fotografiere ich das eigentlich?“, „Was willl ich mit dem Foto sagen?“. Mache dir bewusst, was dir persönlich an einem Motiv gefällt und versuche, dich darauf zu konzentrieren.