Mehrfachbelichtungen – eine unerschöpfliche Spielwiese für kreative Bildgestaltungen. Lies hier, was sie sind, wie du ihre Ergebnisse beeinflussen kannst und welche Varianten es gibt.
Mehrfachbelichtung bedeutet, mehrere Fotos übereinander zu legen und so ein ganz neues, andersartiges Bild zu erzeugen. Der Name stammt aus der analogen Fotografie, dort hat man dieselbe Stelle einer Filmrolle mehrfach mit verschiedenen Bildausschnitten belichtet, um diesen Effekt zu erzielen. In der digitalen Fotografie entstehen Mehrfachbelichtungen durch rechnerische Kombination mehrerer Bilddateien, direkt in der Kamera oder nachträglich in der Bildbearbeitung.
Das erste Beispielbild zeigt, wie Mehrfachbelichtungen ein sehr simples Motiv unerwartet in ein kreatives Foto verwandeln können. Es zeigt einen Heizkörper, hier im Ganzen zu sehen. Mit der Bildidee, die parallel laufenden Rippen sich zu einem Muster kreuzen zu lassen, habe ich in meiner Kamera Mehrfachbelichtungen eingeschaltet und zwei Fotos mit kleinerem Ausschnitt und unterschiedlich gedrehter Kamera aufgenommen. Aus ihnen hat die Kamera das ganz oben gezeigte Foto erzeugt.
Das erste Beispiel lässt es schon ahnen: Die Kombinations- und Spielmöglichkeiten sind unbegrenzt, die Ergebnisse können überraschen. Wer Spaß daran hat, kann beliebig lange damit experimentieren. So entstehen schnell viele Aufnahmen und zwei weitere Herausforderungen:
Zur Veranschaulichung zwei weitere Mehrfachbelichtungen vom selben Heizkörper, dieses Mal aus vier Einzelaufnahmen – einmal nur minimal, einmal stärker als zuvor gegeneinander gedreht. Beim oberen habe ich zusätzlich die Blickrichtung auf den Heizkörper variiert, so dass die dunklen Zwischenräume unterschiedlich stark ausgeprägt waren.
Wenn man auf einem herkömmlichen Film die selbe Stelle mehrfach belichtet, wird das endgültige Foto mit jeder zusätzlichen Belichtung heller, es fällt ja jedes Mal zusätzliches Licht ein. Zwei normal belichtete Aufnahmen ergeben zusammen eine eher überbelichtete. Das kann durchaus erwünscht sein und man kann es geschickt nutzen, um z.B. einen weißen Hintergrund zu erreichen – oder halt nicht. Irgendwann wird das Ergebnis der Mehrfachbelichtung einheitliches Weiß sein.
Sofern die Mehrfachbelichtung ähnlich hell wie einzeln aufgenommene Fotos erscheinen soll, muss jede einzelne Aufnahme dunkler belichtet werden. Wenn du in einer Kamera Mehrfachbelichtungen einschaltest, wird es eine Wahlmöglichkeit für Belichtungsausgleich geben, dann brauchst du dich nicht weiter darum zu kümmern.
Falls du es genau wissen möchtest: Bei zwei Aufnahmen braucht es eine Korrektur -1,0 um einen Lichtwert , bei vier -2,0 um zwei Lichtwerte usw., da ein Lichtwert immer für die Verdoppelung bzw. Halbierung der Lichtmenge steht.
Das zu Beginn gezeigte Foto ist mit Belichtungsausgleich entstanden, hier eine weitere Mehrfachbelichtung ohne Belichtungsausgleich. Es ist schon bei zwei Aufnahmen zu erkennen, wie die Mehrfachbelichtung deutlich heller ausfällt.
Je mehr Aufnahmen du kombinierst, desto schwächer trägt jedes einzelne zum Endergebnis bei. Das solltest du bedenken, wenn Details aus den einzelnen Bildern erkennbar sein sollen. Die nächsten Beispiele von einem Kirchturm vor einheitlich grauem Himmel zeigen den Effekt recht klar. Personen werden schon bei zwei Aufnahmen zu verschwommenen, geisterhaften Gestalten.
Je mehr Bilder du kombinierst und je größer die Unterschiede sind, desto mehr wirst du ein zufälliges, schwer erkennbares Foto erhalten. Hier ein spontan erzeugtes Beispiel dazu, eine Mehrfachbelichtung (mit Belichtungsausgleich) aus sechs Bildern. Vergrößere das Bild durch Anklicken, um mehr zu erkennen.
Leicht ins Auge fallen der Teller mit Zitronen, der Blick aus dem Fenster auf ein anderes Haus sowie die Streifen des Heizkörpers, der schon oben Modell gestanden hat. Ebenso eine Pflanze mit langen, schlanken Blättern. Beim fünften und sechsten Motiv wird es schwieriger... ein Landschaftsbild mit Meereswellen, im rechten oberen Viertel sieht man sie. Und dann ist da noch eine Wanduhr, unterhalb der Zitronen sieht man ihr Ziffernblatt.
OK, es ist keine besonders tiefgründige Zusammenstellung, zeigt aber schön, wie einzelne Bestandteile noch erkennbar oder nur schwach zu erahnen sind – das ermöglicht komplexe, vielschichtige Bilder, die zum Betrachten herausfordern.
Es kann recht komplex und schwierig werden, eine Mehrfachbelichtung in einer gewünschten Richtung zu beeinflussen, wenn sich sehr unterschiedliche Bilder mischen. Andererseits ist es eine Überlagerung nach einfachen Regeln. Wenn du dir bewusst machst, welche Teile übereinander zu liegen kommen, bleibt das Ergebnis kein reiner Zufall.
Identische Bildteile bleiben klar erkennbar | Mit „identischen Bildteilen“ meine ich Bildpartien, die auf allen kombinierten Fotos gleich sind. Hier ist eine Mehrfachbelichtung, in einem Fußgängertunnel entstanden. Die Kamera war auf einem Stativ montiert, daher sehen die Wände dort, wo kein Fußgänger durchs Bild lief, wie auf einem normalen Foto aus; die Mehrfachbelichtung ist dort ein Übereinanderlegen identischer Bilder.
Wenn die Kamera nicht exakt fixiert ist, würde ein Effekt ähnlich wie beim Verwackeln der Kamera bei langen Belichtungszeiten entstehen, aber das Motiv erkennbar bleiben.
Gleichmäßige Flächen lassen andere Bilder besser durchscheinen | Das nächste Beispielfoto zeigt diesen Effekt. Beim Experimentieren in einem Park mit herbstlichen Bäumen entstand die Idee, die Form eines kahlen Baumes mit den Formen und Farben des Herbstlaubs zu durchsetzen. Eine Aufnahme der Mehrfachbelichtung ist die Silhouette eines Baumes vor bewölktem Himmel; die zweite ein Ausschnitt, der fast nur Herbstlaub an einem Baum zeigt, fast ohne Äste. Das Herbstlaub der zweiten Aufnahme ist überall zu erkennen; über der dunklen Silhouette des kahlen Baumes deutlicher als vor dem hellen Himmel.
Bisher habe ich zwei Varianten vorgestellt – Mehrfachbelichtungen mit und ohne Belichtungsausgleich. Sie unterscheiden sich darin, wie hell das Ergebnis ausfällt, aber sind überall mehr oder weniger erkennbare Überlagerungen aller Bilder.
Da die Mehrfachbelichtung in Bildverarbeitungs-Software entsteht, sind andere Spielregeln denkbar. Ich zeige als Beispiel und Anregung zwei, die meine Nikon-Kamera (Z6 II) hat; andere Modelle können weniger oder noch mehr und ausgefallenere haben. Falls deine Kamera nichts dergleichen anbietet, bleibt immer noch der Weg zur Bildbearbeitung am Computer, unten dazu mehr.
Auswahl der helleren Bildteile | Die Mehrfachbelichtung zeigt an jeder Stelle nur eines der verwendeten Fotos – das, welches dort am hellsten ist. Schau auf das nächste Beispielfoto, um es nachzuvollziehen: ein helles Auto mit dunklen Scheiben sowie eine mit rotem Herbstlaub bedeckte Wand. Gegenüber den dunklen Scheiben ist das rote Laub heller – nur das Laub ist zu sehen. Umgekehrt an der hellen Karosserie, dort erscheint nur die Form des Autos. Und wo beide Fotos ähnliche Helligkeiten haben, ergibt sich ein buntes Gemisch, ähnlich wie bei einer Überlagerung.
Auswahl der dunkleren Bildteile | Das ist die Umkehrung der vorigen Methode: Das jeweils dunkelste Foto setzt sich an jeder Stelle des fertigen Bildes durch. Hier veranschaulicht mit einem Kirchturm vor deutlich hellerem, bewölktem Himmel. Die zweite Aufnahme des Pflasters mit Herbstlaub war dunkler als der Himmel, also ist es um den Kirchturm herum zu sehen. Der Kirchturm wiederum war dunkler als das Laub und die Pflastersteine und steht deshalb immer noch klar erkennbar im Bild. Allerdings ist er von den noch dunkleren Fugen des Pflasters durchzogen.
Diese Varianten bringen also auch gemischte, kombinierte Bilder, aber es setzen sich einzelne Bildelemente klarer durch, es entstehen nicht die verschwommenen, geisterhaften Effekte.
Wenn du mit Mehrfachbelichtungen experimentieren möchtest, sollte ein erster Gang in die Kamera-Menüs oder die Anleitung führen, um nachzusehen, ob deine Kamera Mehrfachbelichtungen unterstützt. Das ist nicht selbstverständlich, meine Beobachtungen sind:
Bei Nikon und Canon gibt es ein Menü
, hinter dem sich die weiteren Einstellungen verbergen, an beispielhaften Modellen habe ich beobachtet:Denselben Effekt wie bei Mehrfachbelichtungen aus der Kamera kannst du auch in Bildbearbeitungsprogrammen am Computer erreichen, mit Vor- und Nachteilen. Voraussetzung ist, dass du dich mit fortgeschritteneren Funktionen auskennst, konkret wie du Ebenen anlegst, befüllst und überlagerst. Und natürlich mit einem Bildverarbeitungsprogramm arbeitest, das mehrere Ebenen verarbeiten kann.
Vorteile einer Kombination am Computer sind:
Die Nachteile einer Mehrfachbelichtung am Computer sind:
Die logische und sinnvolle Kombination, die das Beste aus beiden Welten kombiniert, ist: