Was macht ein „gutes Foto“ aus?

Level:Fortgeschritten
Anwendung:Hintergrundwissen

Zu wissen, was ein gutes Foto ausmacht, hilft, selber gute Fotos aufzunehmen. Lies mehr darüber hier – vier Merkmale guter Fotos und ein paar weitere mögliche Ansätze.

Drei simple Ansätze

Der selbe See zu unterschiedlichen Jahreszeiten - welches Foto ist besser?

Beginnen wir einfach, mit verbreiteten und naheliegenden Antworten.

Zunächst: Gut seien „schöne“ Fotos, im Sinne von gefälligen, hübsch anzusehenden Bildern, die das Gesehene möglichst vorteilhaft abbilden. Das ist nachvollziehbar, z.B. aus einem Urlaub, von einer Familienfeier und vielen anderen Gelegenheiten die schönen Seiten abbilden zu wollen. Es ist aber auch oberflächlich. Fotografie kann so viel mehr ausdrücken, nicht jedes interessante Motiv ist schön anzusehen und Fotos können aufgrund einer Vielzahl von Emotionen faszinieren. Und zumindest meine eigene Erfahrung: Immer nur „schöne“ Bilder machen zu wollen, wird irgendwann langweilig. 

Vergleiche die beiden Bilder eines Sees – natürlich ist das linke, sommerliche einladender. Ist es aber deshalb besser? Nein, vor allem ist es anders, vermittelt eine andere Stimmung und Bildaussage.

Ebenfalls naheliegend ist, technisch gelungene Fotos als „gute“ anzusehen – scharf, korrekt belichtet, mit leuchtenden Farben. Das ist aber ein Irrtum, viele emotional wirkende Bilder sind technisch nicht perfekt und mitunter tragen diese vermeintlichen Mängel sogar zur Bildwirkung bei. Ein langweiliges Motiv bleibt langweilig, auch wenn es gestochen scharf und sonst technisch perfekt ist. Es kann wichtig für ein Foto sein, dass es technisch gelungen ist – das alleine reicht aber noch nicht.

„Was macht ein gutes Foto aus? Dass man es länger als eine Sekunde anschaut.“ ist die häufig zitierte Antwort eines berühmten Fotografen (Henri Cartier-Bresson) aus Zeiten vor der Digitalfotografie. In der heutigen Bilderflut ist sie noch einleuchtender als damals. Ich würde ihr zustimmen, wenn man sie nicht nur auf Fotos bezieht, die sofort ins Auge springen und besonders auffällig sind, sondern auch auf solche, die man immer wieder gerne ansieht. Ein gutes Foto wird nicht langweilig – ich glaube, da kommen wir der Sache schon näher. Wissen aber noch nicht, warum das bei manchen Fotos so ist und bei anderen nicht.

Vier Merkmale guter Fotos

Es gibt vier Aspekte eines „guten“ Fotos, die in den 1970er Jahren ein anderer berühmter Fotograf, Andreas Feininger, beschrieben hat, ebenso einleuchtend wie zeitlos.

Sie werden stets unterschiedlich ausgeprägt sein und nur ganz, ganz selten alle gleichzeitig auftreten. Aber mindestens einer von ihnen muss vorhanden sein und kann genügen, um ein Foto zu einem „guten“ machen:

Ein gutes Foto...

  • ...fängt Aufmerksamkeit, sticht aus der Masse hervor.

Das kann durch das Motiv oder Gestaltung sein; es muss nicht zu schrillen, knallbunten Fotos führen; auch ruhigere Bilder können auffallen. Es wird aber immer ein klarer Blickfang vorhanden sein. Wenn nichts hervorsticht, bleibt das Auge nirgendwo hängen und die Chance, in der ersten Sekunde den Betrachter zu fesseln, ist vertan.

  • ...hat Inhalt, um die Aufmerksamkeit zu halten.

Dabei geht es vor allem um das Motiv: Erzählt es eine Geschichte? Hat es eine Aussage? Eine persönliche Bedeutung? Ruft es im Betrachter Fragen hervor, lässt es über etwas rätseln? All das kann dafür sorgen, dass ein Bild nicht langweilig wird. Der Inhalt kann auch zufällige Schnappschüsse von Alltag, Familie, Urlaub usw. zu „guten Fotos“ machen, wenn sie für die Beteiligten etwas bedeuten.

  • ...wirkt emotional.

Ein Foto, das eine emotionale Reaktion hervorruft, bleibt leichter in Erinnerung und sorgt automatisch dafür, dass ein Betrachter sich näher damit auseinandersetzt. Welche Art von Emotion es ist und wie sie hervorgerufen wird – durch Gesichtsausdrücke, Motiv, Lichtstimmung, Farben, ... – ist eine andere Geschichte.

  • ...hat eine ästhetische Qualität, grafische Gestaltung.

Hier kommt es auf all die Elemente der Bildgestaltung und des Bildaufbaus an. Es kann ein alltägliches Motiv in einem gut gestalteten Foto eine hohe visuelle Qualität haben. Im Extremfall ist ein solches Foto rein abstrakt, nur wegen seiner Formen, Farben, Strukturen usw. interessant.

Eine einwandfreie technische Qualität kann durchaus notwendig sein, um diese Wirkungen zu bestmöglich zu erreichen. Unbedingte Voraussetzung ist sie nicht. Und technische Perfektion alleine erfüllt keinen dieser Aspekte. Technik soll in der Fotografie der Bildwirkung dienen, sie ist kein Selbstzweck.

Die Bewertung von Fotos ist subjektiv

Es ist eine bekannte Erfahrung, dass verschiedene Personen ein und dasselbe Bild unterschiedlich bewerten können. Es gibt kaum objektiv und in den Augen aller Betrachter „gute“ Fotos.

Ein gutes Foto muss nicht jedem gefallen; dadurch, dass es für eine Person besonderen Wert hat, wird es für diese bereits zu einem „guten Foto“. Offensichtlich ist dies bei Familienfotos, die den Angehörigen viel und Außenstehenden wenig oder nichts bedeuten. Bei anderen Motiven ist es aber das gleiche: Das Interesse daran ist subjektiv; es kommt darauf an, ob es dir persönlich bzw. denjenigen, die ein Foto zu sehen bekommen, etwas bedeutet.

Beginnender Sonnenaufgang

Ähnlich ist es bei den anderen Aspekten eines „guten Fotos“, auch da spielt der persönliche Geschmack des Betrachters eine Rolle; je mehr, umso ausgefallener ein Foto ist.

Mir gefällt z.B. dieses Foto eines Sonnenaufgangs sehr gut, unter anderem wegen der Kontraste zwischen Orange und Grau/Schwarz, weil die Sonne mit einem schmalen Streifen nur zu ahnen ist und weil sie nicht wie in fast allen Sonnenaufgang-Fotos überbelichtet weiß aussieht. Vielen anderen scheint es zu düster zu sein... aber das bringt ja gerade die beschriebene Bildwirkung, die mir gefällt.

Ein anderer Morgen am selben Strand

Ein gutes Foto gefällt denjenigen, für die es gedacht ist. Wenn du mit deinen eigenen Fotos zufrieden bist und für dich selbst fotografierst, weil es dir Spaß macht, erschaffst du (für dich) gute Fotos. Wenn du für andere fotografierst, wirst du für „gute Fotos“ möglicherweise vom eigenen Geschmack abweichen müssen.

Zum Herumzeigen im Freundes- und Bekanntenkreis würde ich eher das zweite wählen. Das hat blauen Himmel, erkennbare Meereswellen und ein paar Palmen – Zutaten, die offenbar viele bei einem Sonnenuntergangs-Foto erwarten.

Gute Fotos werden verstanden

Jedes Bild hat eine Aussage: Das, was einem Betrachter dazu in den Sinn kommt. Idealerweise ist das identisch mit der Bildidee, die du beim Aufnehmen des Fotos im Kopf gehabt hast – dann wird dein Foto „verstanden“.

Du kennst es sicher von Urlaubs- oder anderen Fotos, dass sie Erklärungen benötigen, worum es eigentlich geht... das sollte bei einem guten Foto nicht passieren. Deshalb ist für mich ein weiteres Merkmal: 

Ein gutes Foto ist eines, das eine bestimmte Bildidee klar und überzeugend optisch umsetzt.


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